Die für mich zentralen Erkenntnisse des Buches sind sein Begriff der Kulturalisierung sowie dessen Wechselwirkung mit dem modernen Wohlstand und den sozialen Medien.
Kulturalisierung
Unter Kulturalisierung versteht Reckwitz das starke Zuschreiben von Wert zu Dingen (Menschen, Sachen, Ideen, Orten, Ereignissen usw.). Er grenzt diesen Kulturbegriff ab gegenüber einem bedeutungsorientierten Kulturbegriff, der in jeder sozialen Handlung mit Sinnzusammenhängen Kultur sieht. Im Gegensatz zu diesem weiten Kulturbegriff, erzeugt der zugeschriebene Wert Gefühle und Handlungsbereitschaft. Das eindringlichste Beispiel dafür sind die Gefühle, die Gläubige ihren besonderen Texten oder Tabus zuschreiben. Am Einhalten von Essensvorschriften oder der ausschließlichen Wahl von ebenfalls gläubigen Partnern lässt sich erkennen, wie sich der zugeschriebene Wert in Handlungen niederschlägt. Die Gefühle und der zugeschriebene Wert äußern sich auch darin, dass die Dinge als besonders und nicht vergleichbar betrachtet werden. Für mich selbst lässt sich dies gut am Holocaust nachvollziehen: Durch den Holocaust beschäftigte ich mich mit den Fragen von kollektiver Schuld, der Grausamkeit der Menschen, der Gleichgültigkeit der Menschen untereinander und der Kraft von aberkannter Gruppenzugehörigkeit. Für mich ist der Holocaust daher unvergleichbar und einzigartig. Eine Diskussion darüber und ein Vergleich mit anderen Genoziden oder Grausamkeiten ist gerade darum nicht zielführend. Eine solche Diskussion mit einem Mitglied der Rohingya aus Myanmar oder eines Tutsi aus Ruanda wird selten fruchtbar sein. Die persönlichen Gefühle, welche die Ereignisse mit Bedeutung aufladen, sind das Besondere und diese Gefühle fallen bei einem Vergleich von Fakten weg. Die verknüpften Gefühle können auch weniger nachvollziehbar sein: Mein Vater schreit beim Fußballschauen die gesamte Wohnung zusammen, jemand hat bei einer Auktion für die originale Disneyland-Karte 708.000 $ bezahlt. Die Abgrenzung dieses Kulturbegriffs ist ebenfalls schwierig: Wie stark müssen die hervorgerufenen Gefühle sein, damit man von Kulturalisierung sprechen kann? Diese Frage wird zwar nicht beantwortet, aber das Buch wählt einen geschickten Weg: Die Kulturalisierung wird der Rationalisierung gegenüberstellt und danach die Veränderung in der Gesellschaft als eine Verschiebung von der Rationalisierung zur Kulturalisierung erklärt. Dadurch wird, ohne eine genaue Definition im Einzelfall zu liefern, die Erklärungskraft des Begriffs genutzt.
Vom Nutzen zum Wert
Unter Rationalisierung wird die Betrachtung von Vorgängen unter der Zweck-Mittel-Kategorie verstanden. Diese schreibt Vorgängen oder Rollen bestimmte Funktionen zu, damit mit weniger Aufwand (Mittel) mehr erreicht wird (Zweck). Dabei wird häufig verallgemeinert bzw. Vorgänge werden auf messbare Größen reduziert. Diese Reduzierung auf Zwecke und Kennzahlen ermöglich die Zusammenarbeit in großen Organisationen mit geringer persönlicher Bindung. Dieser Logik entsprechend wurden in den Fabriken mit der Fließbandarbeit die Produktion in simple einzelne Schritte zerteilt. Mit Zunahme der Produktionsmenge und der Verbreitung von neuen Geräten und Maschinen wird die Nutzenfunktion von Dingen geringer und die Ästhetik und damit die den Dingen entgegengebrachten Gefühle wichtiger. Dies unterstreicht auch folgende Anekdote: „Dass für Ford nicht die Optik des Wagens, sondern ein einfacher und billiger Produktionsprozess an erster Stelle stand, zeigt ein legendäres Zitat: ‚Sie können einen Ford in jeder Farbe haben, Hauptsache er ist schwarz.‘ Erst als ihm General Motors und Chrysler mit hübscheren, leistungsfähigeren Modellen den Rang abliefen, konnte er von seinem Sohn Edsel überzeugt werden, ein neues Auto zu bauen.[1]“ Durch den zunehmenden Luxus verschiebt sich also die Anforderung an Dinge vom Nutzen hinzu Werten und Gefühlen. Daher steht durch den Luxus nicht mehr die Funktionalität im Vordergrund, sondern es treten weitere Kategorien hinzu wie Ästhetik, ethisches Verhalten der Firma, Produktionsweise, Markenimage, Geschichte der Firma bzw. der Produktentwicklung. Das Buch zeigt dies insbesondere bei den Lebensbereichen Essen, Wohnen, Reisen, Körper und Erziehung auf. Neben dieser Verschiebung in der Bewertung von Dingen verändert sich auch der Bedarf. Dadurch dass die Grundbedürfnisse wie Essen, Wohnen (zumindest irgendwo) und Mobilität an sich für weite Teile der Bevölkerung erfüllt sind, steigt die Nachfrage nach sinnhaften und sinnstiftenden Dingen. Die Werte und Gefühle, die ein Ding hervorruft, seine Sinnhaftigkeit und deren Anerkennung liegen im Auge des Betrachters, der nun die Qual der Wahl hat.
Kommunikationstechnik und Marktstruktur
Die Auswahl ist für den Verbraucher bei den meisten Dingen riesig bis unübersichtlich. Das liegt zum einem an den enormen Produktionskapazitäten der Industrie, zum anderen daran, dass die bereitgestellte Menge an Kunst, Kulturgütern und Ereignissen hoch ist. Das Buch macht dafür unter anderem die Erfolgsunsicherheit der Märkte verantwortlich, sodass ein möglichst breites Angebot diese Unsicherheit auffangen soll. Zudem werden Bücher, Filme, Musik, Reiseberichte und ähnliche Dinge aufgrund des Selbstausdruckes der Künstler, Reisenden und so weiter von diesen er- und zur Verfügung gestellt. Die Größe des Angebots führt zu einem Aufmerksamkeitswettbewerb, der dem Wettbewerb zwischen den Dingen vorgeschaltet ist. Erst nachdem die Aufmerksamkeit gewonnen wurde, wird das Ding bewertet und vielleicht für gut befunden. Aufmerksamkeit wie auch der Wert oder die Sinnhaftigkeit von Dingen müssen im einzelnen Menschen erzeugt werden. Dies geschieht meist durch Kommunikation. Hier führen nun die sozialen Medien und die technischen Möglichkeiten des Internets zu verschiedenen Effekten:
- Es bilden sich viele voneinander entkoppelte Kommunikationen, auch und gerade für Nischenthemen: Wenn ich Nacktmulle total toll finde, kann ich das in meiner Stadt (200.000 EW) natürlich allen erzählen, aber ein Gespräch kommt nur bedingt zustande. Im Internet finde ich mit Sicherheit gleichgesinnte, um meiner Freude und meinem Interesse am Nacktmullen zu frönen.
- Ein leichter Zugang erhöhte die Anzahl der Menschen, welche ihre Meinung und Erlebnisse kundtun bzw. kulturschaffend werden. Das Angebot wird dadurch gigantisch.
- Das Angebot wird durch das Wissen und die Lebensmodelle aus aller Welt, die ich in Bild und Ton direkt sehen kann, noch viel größer. Insbesondere kann ich direkt die schönsten, reichsten, erfolgreichsten, klügsten Menschen und deren Meinung betrachten und das auch noch aus jeweils verschiedenen Kulturräumen.
- Kommunikation als wechselseitiger Vorgang erzeugt einen Aktualisierungsdruck. Durch die ständige Verfügbarkeit von Meinungen und Kommunikationspartnern führt dies zu einer häufigen Überprüfung der zugeschriebenen Werte und des empfundenen Sinns. Ebenfalls führt der Aktualisierungsdruck zu vielen Äußerungen und damit verschiebt sich die Kommunikation von Fakten und Geschehnissen zu Meinungen und Themensprüngen. Durch diese Effekte wird das Verfolgen langfristiger oder sich langsam entwickelnder Themen erschwert.
Ökonomisch führt dies laut Reckwitz zu „the Winner takes it all“- beziehungsweise „the winner takes the most“-Märkten mit einer hohen Unsicherheit, selbst für die momentanen Gewinner. Als Beispiele werden genannt: besonders erfolgreiche Städte im Vergleich zu Wegzuggebieten, das Gehaltsgefälle innerhalb des gleichen Berufs (z.B.: Künstler, Medienschaffende, Model, Fußballer). Für die Menschen erzeugen diese Märkte eine Menge an Misserfolgen: Sie belohnen die Anstrengungen nur für wenige, die Mehrheit geht leer aus und kann zeitgleich den Überfluss der Gewinner sehen; sie zeigen bevorzugt schönes und außergewöhnliches und erzeugen dadurch einen Leistungsdruck; die Vielzahl an sichtbaren Dingen, Ereignissen, Orten sprich Möglichkeiten erzeugen Verlustängste („Fear of missing out“) und bergen die Gefahr, nie mit dem Vorhandenen zufrieden zu sein.
Während früher nur Nachbars Rasen grüner war, kann ich nun auf einen Großteil der Welt eifersüchtig sein. Das Buch führt diese Struktur auf die Gefühlsaufladung durch die Kulturalisierung in den modernen Medien und Netzwerken zurück und sieht ähnliche Probleme bei der Verteilung von Status in der Gesellschaft.
Neue Mittelklasse, alte Mittel- und Unterklasse
Als Trägerschicht, also diejenige Schicht, deren Ansichten dominieren, sieht Reckwitz die neue Mittelklasse. Darunter versteht er Akademiker, die in urbanen Zentren leben. Ob die durch die Bezeichnung Schicht mitschwingende Geschlossenheit oder ein Selbstverständnis als Schicht vorhanden ist, wurde meiner Meinung nach nicht gezeigt. Im Podcast zum Buch sagt Herr Reckwitz auch, dass er diese Schicht nur plausibilisieren könne, da er keinen empirischen Nachweis habe. Für mich ergab sich durch diese Begrifflichkeit kein Mehrwert gegenüber den Beschreibungen mittels der Kulturalisierung und der „winner takes the most“-Märkten. Ebenso überzeugt mich die Schichtenanalyse der Unterklasse[2] und der nicht-akademischen Mittelschicht nicht. Andreas Reckwitz hält das kulturelle Kapital der Akademiker für den treibenden Grund der Polarisierung. Dabei sieht er die materiellen Unterschiede und deren Entwicklung: „Für die nivellierte Mittelstandsgesellschaft kennzeichnend waren eine vergleichsweise geringe Ungleichheit der Einkommen sowie ein Massenwohlstand, in dessen Genuss auch Arbeiter und kleine Angestellte kamen“[3]. „Die Einkommensschere zwischen Akademikern und Nichtakademikern hat sich seit 1980er Jahren im Westen deutlich geöffnet“[4]. Er sieht, dass die Unterklasse auf dem Arbeits-, Wohnungs-, Bildungs- und Partnerschaftsmarkt benachteiligt sind, dass ihr Zeithorizont aufgrund ständiger Sorgen kurz ist, dass ihre Arbeit weder materiell noch ideell erfüllend ist und keine bis wenig Anerkennung bekommt. Deshalb „[…] betrachtet [man] sich selbst häufig als Teil eines sozialen ‚Unten‘, als Gruppe der gesellschaftlich Abgehängten, als diejenigen, die es ‚nicht geschafft haben‘. Dies kann bis zu Gefühlen der Stigmatisierung und der Scham reichen oder in Wut umschlagen.“[5] Ich halte die materielle Komponente für treibend. Die ökonomischen Nachteile des Arbeitsmarkts schlagen sich direkt auf dem Wohnungsmarkt nieder. Zudem ist es viel einfacher Spott oder mangelnde Anerkennung zu belächeln, wenn man keine materiellen Sorgen oder Zukunftsängste hat. Die Aussichten auf dem Partnerschaftsmarkt steigen, wenn der Kostenfaktor von Mobilität und Aktivitäten egal ist. Es ist auch möglich, dass die mangelnde Anerkennung und der geringe Status die Menschen lähmen und sie sich deshalb in ihr Schicksal ergeben. Mir jedoch erscheint das nicht prägender als der materielle Druck. Eine tendenzielle Geringschätzung des materiellen Faktors lässt sich auch daran erkennen, dass die Oberschicht im Buch keine Rolle spielt. Anders als zum Beispiel bei Piketty, der die Entstehung der neuen Unterklasse durchaus mit der Vermögenshäufung der Oberschicht in Zusammenhang bringt.
Kulturalisierung und Konflikte
Die Kulturalisierung lädt Dinge mit Gefühlen und Werten auf. Dies erhöht die Bereitschaft zu Konflikten und verkleinert gleichzeitig den Raum für Kompromisse. Daher auch Reckwitz‘ Annahme, dass die Polarisation in der Gesellschaft auf das kulturelle Kapital zurück geht. Er führt diesen Gedanken aus, indem er den Begriff der Neogemeinschaften einführt. Darunter versteht er Gemeinschaften, die sich die Mitglieder aussuchen. Darin sieht er den größten Unterschied zu traditionellen Gemeinschaften– zum Beispiel der Dorfgemeinschaft – zu denen man zwangsläufig dazugehörte. Die Neogemeinschaft fängt, ich würde sagen wie alle Gemeinschaften, den auf der Einzelperson lastenden Sinn- und Erfolgsdruck ab, indem dieser – durch Identifikation mit der Gruppe – auf die Gemeinschaft übergeht. Dies schützt vor den vielen Misserfolgen, die die modernen Aufmerksamkeitsmärkte erzeugen oder durch die Präsenz der Erfolgreichsten vortäuschen. Dadurch, dass die Mitglieder sich die Gemeinschaft ausgewählt haben, liegen Abwertungen anderer Gemeinschaften nahe. Durch den Auswahlprozess kommt es zum Vergleich und der Entwicklung von Kategorien, die ja gerade die erwählte Gemeinschaft als besonders und herausragend erscheinen lässt. Zwangsläufig erscheinen den Mitgliedern so andere Gruppen als weniger erstrebenswert oder gar minderwertig. Die durch das Überangebot an Dingen insbesondere aber auch Medien erzeugten Aufmerksamkeitsmärkte stacheln diese Konflikte eher an, da Aufmerksamkeit leichter durch Gefühle, seien sie positiv oder negativ, erreicht wird als durch Informationen. Zu diesem Erklärungsmuster passen die hitzig geführten Diskussionen der Identitätspolitik, zum Beispiel rund um das generische Maskulin in der Sprache. Ebenfalls dazu passen aber auch die erstarkten nationalen Strömungen wie zum Beispiel die AFD in Deutschland, die „Rassemblement National“ in Frankreich oder die „Prawo i Sprawiedliwość“ in Polen. Passend zur Selbstüberzeugung, die beste Gruppe zu sein, und dieser aufgrund der Ethnie anzugehören, beschränken diese Strömungen, wenn sie die Macht haben, die Vielfalt der Medien. So hat Viktor Orban früh damit begonnen, die kritischen Stimmen in der Medienlandschaft in Ungarn zu behindern und dann zu verhindern. Ähnliches lässt sich von Erdogan in der Türkei und Putin in Russland sagen. Leider sagt Reckwitz nichts zu dieser modernen Zensur und ordnet sie daher auch nicht in das Umfeld der Kulturalisierung und der neuen Medienlandschaft ein. Das es dafür aber seit den 1930ern den Namen Gleichschaltung gibt zeigt schon, es handelt sich nur bedingt um ein neues Phänomen.
Fazit und Kritik
Der vordere Teil des Buches umgeht die Schwierigkeit, eine genaue Grenze an Gefühlen festzulegen, ab dem etwas als Kulturalisierung gilt, geschickt: die Verschiebung wird anhand einer Gegenüberstellung zur Rationalisierung herausgearbeitet. Im hinteren Teil führt die Unschärfe des Begriffs leider zu einer geringeren Analysetiefe. Reckwitz schreibt beispielsweise:
„Vier Ausformungen lassen sich beobachten: ethnische Gemeinschaften, die eine Politisierung in Form von Identitätspolitik einschließen; Tendenzen eines Kulturnationalismus; Versionen eines religiösen Fundamentalismus, vor allem islamischer und christlicher Art; schließlich Formen des Rechtspopulismus. Die Entstehungskontexte und Strukturen dieser vier Typen unterscheiden sich deutlich voneinander und verlangen eine Differenzierung, teilen aber auch grundlegende Strukturmerkmale, denn sie alle betreiben eine Kulturalisierung und Singularisierung des Sozialen und Politischen eigener Art“[6].
Da aber diese Bindung und damit diese Gemeinschaften auf Gefühlen basieren, müssen sie laut seiner Definition kulturalisieren. Das Buch arbeitet größtenteils mit Beispielen und bildet daran seine Theorien aus, Empirie ist selten und meist nur oberflächlich und oder zitiert, sodass es der Glaubwürdigkeit wenig hilft. Daher hilft mir das Buch leider nicht, die mir einfallenden Gegenbeispiele einzuordnen. Wenn er sagt, das Bürgertum begründe die erste genuine Form der Lebensführung mit Dominanzanspruch[7], kann ich nicht anders als an den Adel denken. Eine lange Zeit fiel es dem Bürgertum schwer, sich gegen dessen Selbstverständnis und Lebensführung abzugrenzen. Der Adel hatte mit seinem Lebensstil definitiv einen Dominanzanspruch. Gleiches passiert mir, wenn er schreibt, traditionelle Gemeinschaften seien alternativlos gegeben und dabei kein Wort verliert über die Vielfalt an Glaubensbewegungen, die Reformation, die Glaubenskriege und die Auswanderungswellen nach Amerika. Dabei scheinen auch hier eine starke Kulturalisierung und eine einhergehende Konfliktbereitschaft aufzufallen. Wenn er feststellt, dass ein Signum der Spätmoderne die Politik der Gewalt sei, fehlt mir eine Abgrenzung zum Terror der 1970er Jahre, oder den alten Revolutionen und Revolten (Beispielsweise in Frankreich und Russland), oder den Partei-Schlägertrupps der 1920er Jahre, oder dem Nordirlandkonflikt. Diese erscheinen mir alle gewaltsamer als das Europa von 2015 bis heute.
Gegen Ende des Buches habe ich den Eindruck er hat sich in seine Idee verliebt. Diese Liebe lässt ihn überall Kulturalisierung erblicken. Da der Kern der Kulturalisierung Gefühle und Werte sind, lässt sie sich auch überall entdecken. Die Kulturalisierung ist auch dort zu sehen, wo sie für mich ohne Abgrenzung oder Erklärung, nicht glaubwürdig erscheint, nicht neu erscheint und keine bessere Erklärung liefert.
Zu diesen Schwächen kommt eine zur unnötigen Kompliziertheit neigende Sprache in Kombination mit einem Hang zur Selbsterhöhung. Das Titelkonzept der Singularisierung ist meiner Meinung nach mit dem Wort Kulturalisierung viel treffender benannt, dann aber nicht neu und von ihm allein geprägt. Warum das Wort Allgemeinisierung statt Verallgemeinerung verwendet wird, bleibt mir schleierhaft.
Unabhängig von dieser Kritik finde ich das Buch gut, es hat zahlreiche Gedankengänge in mir losgetreten und viele aktuelle Gesellschaftsproblem gut benannt und herausgearbeitet.
[1] https://www.nachrichten.at/wirtschaft/Sie-koennen-einen-Ford-in-jeder-Farbe-haben-Hauptsache-er-ist-schwarz;art15,1166246
[2] Dies ist beschreibend gemeint und bezieht sich vor allem auf die Chancen auf diversen Märkten (Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt usw.). Die im Wort „Unten“ mitschwingende Wertung passt zur Wertung der Trägerschicht, die zum Beispiel die Jobs, Wohnorte, Freizeitbeschäftigungen der Unterklasse gering schätzt.
[3] Seite 278
[4] Seite 280
[5] Seite 360
[6] S. 394
[7] S. 287
Mein lieber Junge,
Ich habe zwar das Buch nicht gelesen, aber durch deine Rezession erstmals etwas Verständnis dafür erhalten was Kulturalisierung überhaupt meint.
In den Artikeln und auch Rezessionen zum Buch von Reckwitz die ich gelesen habe war mein Eindruck hier wird mal wieder ein neuer Begriff für bekannte Zusammenhänge erfunden.
Mit der Einleitung habe ich mich zunächst sehr schwer getan, da der Begriff Wert für mich doch sehr stark monetär aber mindestens messbar geprägt ist. Erst im mittleren Teil ist mir auf gegangen das Wert natürlich auch eine ideelle Seite hat. Ich glaube ich werde das Werk nun doch noch lesen obwohl ich es ursprünglich nicht vorhatte.
Vielen Dank mach weiter so
Papa